13. Juli 2020: Verleihung des Norbert-Kloten-Preises für Angewandte Wirtschaftsforschung 2020
Moderne Handelsabkommen umfassen typischerweise eine Vielzahl von Maßnahmen zur Reduktion von internationalen Handelsbarrieren, die weit über Zollsenkungen hinausgehen. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die Wirkung eines Handelsabkommens stark davon abhängt, wie viele und welche dieser Maßnahmen davon erfasst werden. Man spricht auch von unterschiedlicher „Tiefe“ verschiedener Abkommen. Die Bedeutung der Tiefe von Handelsabkommen ist in der Literatur bislang noch wenig erforscht. Kilian Klatt verwendet in seiner Arbeit moderne Varianten des sogenannten Gravitationsansatzes zur empirischen Analyse des internationalen Handels, um hier Erkenntnisfortschritt zu erzielen. Er entwickelt zu diesem Zweck einen mehr als 100 Länder umfassenden Datensatz, der sowohl den bilateralen Handel zwischen diesen Ländern erfasst, als auch Detailinformationen über die Tiefe von historischen Handelsabkommen beinhaltet. Das vielleicht wichtigste Ergebnis der Arbeit ist, dass einzelne Kategorien von Liberalisierungsmaßnahmen in ein Abkommen mitaufzunehmen, z.B. die Senkung nichttarifärer Barrieren oder die Senkung von „Barrieren hinter der Grenze“ (resultierend aus unterschiedlichen nationalen Regulierungsstandards), relativ wenig bewirkt. Große Effekte entstehen aber dann, wenn die Handelsabkommen wirklich tief sind, d.h., wenn sie alle Kategorien von Maßnahmen erfassen. Diese Erkenntnis ist von großer Bedeutung für die Verhandlungen über künftige Handelsabkommen, etwa zwischen der EU und Großbritannien, oder zwischen der EU und den USA.