Simulationsmodell: Steuerschätzung

Mit dem Ziel, ein Steuersimulationsmodell zu entwickeln, das eine fundierte Analyse der Aufkommens-, Verteilungs- und Anreizwirkungen von Reformvorschlägen für die persönliche Einkommensteuer erlaubt, wurde in diesem Projekt in zweierlei Hinsicht Neuland betreten: Während viele bekannte Steuervorausschätzungen ausschließlich auf aggregierten Makrodaten basieren, wurde in dem Simulationsmodell auf der individuellen Ebene der Steuerpflichtigen auf Grundlage von repräsentativen Mikrodaten angesetzt. Im Gegensatz zu fast allen bisherigen Schätzungen wurden darüber hinaus erstmals nicht nur die sogenannten "First-Order-Effects", sondern auch Verhaltensanpassungen der Wirtschaftssubjekte auf Änderungen im Einkommensteuer-, Sozialversicherungs- und Transferrecht und somit indirekte Effekte ("Second-Order-Effects") von Reformen umfassend modelliert.

Den Kernpunkt des Projektes bildete die Ermittlung der von einer steuerpolitischen Reformmaßnahme zu erwartenden Ausfälle bzw. Mehreinnahmen an Steueraufkommen auf der Basis einer möglichst breiten, repräsentativen Stichprobe von individuellen Steuerfällen. Unter Berücksichtigung der einzelnen reformbedingten Änderungen im Einkommensteuerrecht wurden diese Steuerfälle einer erneuten Veranlagung unterzogen. Aus den Veränderungen der individuellen Einkommensteuerschuld der Steuerfälle in der Stichprobe wurde dann auf die Steueraufkommensänderung insgesamt hochgerechnet. Ferner wurden Reaktionen der Haushalte auf die Einkommensteuerreform in die Steuerschätzungen mit einbezogen. Schließlich konnten mit der Analyse der Be- und Entlastungswirkungen der Reformen für unterschiedliche Haushalts- und Einkommensgruppen auch die distributiven Wirkungen von Steuerreformen untersucht werden.

Eine weitere Besonderheit mit Blick auf die Datengrundlage bestand darin, dass die Lohn- und Einkommensteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes von 1998 erstmals mit den Daten des sozio-ökonomischen Panels verknüpft wurden. Nach der Fertigstellung des Modells wurde zunächst die Vorteilhaftigkeit von Mikrosimulationsmodellen gegenüber anderen Modelltypen zur Abschätzung von Reformwirkungen untersucht. Die Ergebnisse der Studie sind im IAW-Report 1/2006 erschienen.

Zudem konnten nun Reformvorschläge aus der aktuellen politischen Diskussion simuliert werden. Im Auftrag der Prognos AG wurden die fiskalischen Konsequenzen einer Reform des Ehegattensplittings berechnet. Bereits die formaltheoretische Analyse zeigte, dass die verschiedenen Einflussgrößen in Kombination recht unterschiedlich auf das Ausmaß des Splittingeffekts wirken. Das Schaubild verdeutlicht exemplarisch, dass die Höhe des Splittingeffekts sowohl mit der Höhe des Gesamteinkommens als auch mit der Differenz zwischen den beiden Einzeleinkommen variiert, was die verbreitete Einschätzung widerlegt, dass Spitzenverdiener generell am meisten vom Splittingverfahren profitieren. Uneinheitliche Ergebnisse lieferte auch eine kombinierte Betrachtung von Splitting und Familienleistungsausgleich (Kindergeld bzw. Kinderfreibetrag), da die durch die Kinderfreibeträge entstehenden Entlastungswirkungen z.T. dadurch nivelliert werden, dass aufgrund der geringeren Bemessungsgrundlage der Splittingvorteil schrumpft. Wie hoch die steuerlichen Entlastungswirkungen tatsächlich sind, hängt von der jeweiligen Kombination aus Einkommenshöhe, Einkommensdifferenz und Kinderzahl ab.

Mit Hilfe des Mikrosimulationsmodells wurden empirisch die Aufkommens- und Verteilungswirkungen ermittelt, die sich bei einem Übergang vom aktuellen tariflichen Ehegattensplitting 1. zu einem Familientarifsplitting und 2. zu einem (Ehegatten-/Familien-)Realsplitting ergeben würden. Die Simulationsrechnungen sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, es liegen daher noch keine Ergebnisse vor. 

Auftraggeber:

  • Auftraggeber: Landesstiftung Baden-Württemberg

Projektteam:

  • Prof. Dr. Gerhard Wagenhals
  • PD Dr. Peter Gottfried
  • Dipl.-Ökonom Jürgen Buck
  • Dipl.-Ökonomin Daniela Witczak

Ansprechpartner:

Dr. Peter Gottfried

Status:

2008 - 2008